Macht der Media-Agenturen

Scharfe Kritik an der WPP, ganz besonders in Deutschland, kommt aus der Medienbranche selbst. Sie richtet sich gegen die in der als ‚GroupM‘ zusammengefassten Mediaagenturen des Konzerns. Deren Geschäft ist es, für die Kunden der Werbeagenturen Werbung in den Medien so zu schalten, dass die Zielgruppen der Werbekampagnen möglichst treffsicher über die verschiedenen Medienkanälen erreicht werden: TV, Print, Online, Plakate, Hörfunk etc. Ursprünglich gehörte dies zur Aufgabe der Werbeagenturen, inzwischen hat sich diese Tätigkeit zu einem eigenen Geschäftsfeld mit spezialisierten Firmen entwickelt.

Die WPP-Tochter GroupM ist auf dem besten Weg, unter den Mediaagenturen in Deutschland ein Monopol zu errichten. Bereits heute beträgt ihr Marktanteil 43 Prozent auf alle großen Medienholdings bezogen. In einer Auswertung der Fachzeitschrift Horizont für das Jahr 2015 belegen WPP-Agenturen unter den Top 20 der Branche die Plätze 1 (Mediacom), 3 (MEC), 6 (Mindshare) und 17 (Maxus). (27)

„Die Macht der Mediaagenturen“ lautete die Überschrift eines Beitrages im Jahrbuch Fernsehen 2013. Er nahm Bezug auf eine Diskussion bei den Münchner Medientagen im Oktober 2012, in deren Mittelpunkt das Geschäftsgebaren der GroupM stand: „Besonders kritisiert wurde das Trading (…) Der Begriff stammt aus dem Wertpapierhandel und bedeutet das Kaufen und Verkaufen von Gütern auf einer kurzfristigen Basis in der Hoffnung auf schnellen Profit. Für die Werbeplatzvermarktung bedeutet das, dass Agenturen von Verlagen oder Sendern in größeren Mengen und hoch rabattiert auf eigene Rechnung nicht verkaufte Werbeplätze erwerben und diese dann an ihre Kunden weiterverkaufen – mit einem gehörigen Preisaufschlag, versteht sich.“ (28)

Aus einstigen Dienstleistern, die ihren Kunden die durch deren Marktauftritt ‚verdienten‘ Rabatte weiterreichten, sind inzwischen selbständige Marktteilnehmer geworden. Um die Rabatte zu umgehen, verlegte sich die GroupM auf das oben beschriebene Trading. Mit atemberaubenden Gewinnmargen: Von mehr als 30-Prozent-Rabatten ist bei den klassischen Medien die Rede, bis zu 70 Prozent gewähren Online-Anbieter. Hier setzt die brancheninterne Kritik an: Eine Mediaagentur, die auf eigene Rechnung mit Werbeplätzen handelt, verliert das Interesse, ihre Kunden optimal zu beraten; stattdessen steigert sie ihren Gewinn, wenn sie auch noch den Ramsch aus ihrem Portfolio verkauft. (29)

Der riesige Marktanteil der WPP-Mediaagenturen in Deutschland wurde von einem Branchenvertreter scharf kritisiert. Jens-Uwe Steffens, Gesellschafter der unabhängigen Agentur Pilot in Hamburg, meinte, der Zukauf ständig neuer Mediaagenturen durch die WPP und ihre Fusionierung zum GroupM-Geflecht mit 50 Prozent Marktanteil in einigen Mediensegmenten hätte nie zustande kommen dürfen: „Der Fehler war, dass GroupM von der EU bewertet worden ist und diese Fusionen ohne regionale Auflagen durchgewunken wurden. (…) Die EU hat bei der kartellrechtlichen Bewertung eine europaweite Betrachtung durchgeführt. Aber in Gesamteuropa sind die Stärken der Agenturen natu¨rlich unterschiedlich, GroupM ist nicht überall so beherrschend wie in Deutschland.“ (30)

In Frankreich ist die Vergütung der Agenturen durch Medien durch das ‚Loi Sapin‘ komplett verboten. Es wurde bereits 1993 zum Schutz gegen Korruption verabschiedet und um zu verhindern, dass Medien zum Spielball mächtiger Agenturnetzwerke werden. Im vergangenen Jahr wurde das ‚Loi Sapin‘ modernisiert und auf das digitale Mediengeschäft erweitert. (31)

Der frühere RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma fordert inzwischen ein ebensolches Gesetz für Deutschland. Seiner Meinung nach betreiben Mediaagenturen ein „parasitäres Geschäftsmodell“. (32)

Mit diesem Geschäftszweig befasste sich in den letzten Jahren auch eine gemeinsame Rundfunkkommission von Bund und Ländern in Deutschland. 2014 nahm sie ein Gutachten des Hamburger Hans-Bredow-Instituts entgegen zur Frage, inwieweit regulatorische Maßnahmen erforderlich seien, um die Meinungsvielfalt in Deutschland zu sichern. Die Gutachter warnten davor, dass die Mediaagenturen ihre Einkaufsmacht ausnutzen könnten, um Einfluss auf die Redaktionen zu nehmen, und kamen zu dem Schluss: „Die Marktkonzentration bei Mediaagenturen sowie das wichtige Ziel der Erhaltung redaktioneller Unabhängigkeit sprechen dafür, Trading als Handelsmodell einzuschränken.“ (33)

Für den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz bahnte sich ein Gewissenskonflikt an. Das Gutachten hatte er im Oktober 2014 als einer von drei Vertretern der Länder selbst offiziell in Empfang genommen. Aber gesetzliche Einschränkungen von Firmen wie der WPP, die der Scholz-Senat in Hamburg genau zu dieser Zeit selbst förderte – konnte er das wollen? (34)

Vorerst ist aus der Regulierung nichts geworden. Die Bund-Länder-Kommission legte ihren Bericht zur Medienkonvergenz im Juni 2016 vor. In einer Anhörung von Marktteilnehmern war geäußert worden: „Die Mediaagenturen der Mediaagentur-Holding GroupM haben in Deutschland einen Marktanteil von 45 Prozent. (…) Teilweise wird aufgrund der starken Marktstellung der großen Mediaagenturen zumindest langfristig ein Einfluss auf die Medienvielfalt befürchtet, teilweise auch ein Einfluss der Medienagenturen auf Inhalte und Programm, da viele Produkte ein sog. ‚Happy-Umfeld‘ benötigten, um für diese sinnvoll Werbung zu machen.“ Den Handlungsbedarf formulierte die Kommission vage, schloss aber auch nichts aus: „Zur weiteren Klärung, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, (…) sollte geprüft werden, ob aufgrund der komplexen Situation und des noch frühen Diskussionsstands Bedarf für eine gutachterliche Aufarbeitung und Vertiefung der Gesamtthematik, insbesondere im Hinblick auf eine Gefährdung der Meinungs- und Medienvielfalt und mögliche Lösungswege, besteht.“ (35)

Kurzum: ‚Happy-Umfeld‘ statt demokratischer Meinungsvielfalt, so sehen derzeit die Alternativen aus. Die Politik ist derweil am Prüfen.

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