Zeise2 Zeisehof Hamburg Ottensen in düster diabolischer Stimmung

PWO-Startschuss für den MietenMove 2018
am 2. Juni 2018

Liebe Freunde,
heute demonstrieren wir gegen den MietenWahnsinn in dieser Stadt. Wir haben uns als Startpunkt einen besonderen Ort gewählt. Hier in Ottensen steht ein Mahnmal für verfehlte Stadtentwicklung in Hamburg: Zeise-2. Auf dem ehemaligen Parkplatz neben den Zeisehallen ist ein gewaltiger Bürokomplex entstanden, das neue Hauptquartier des Werbemultis WPP und ihrer Statthalter, der Werbe- und PR-Agentur Scholz& Friends. Sie nennen die von ihnen errichtete Immobilie „ZeiseStudios“, andere sprechen lieber von den „ScheiseStudios“. Wir von Pro Wohnen Ottensen haben zwei Jahre gegen den Bürobau gekämpft – leider ohne Erfolg. Ursprünglich sollten an dieser Stelle 86 Wohnungen entstehen, davon die Hälfte Sozialwohnungen. Das hätte die Umwandlung unseres Stadtteils in eine AA+-Lage für Spekulanten und Miethaie zwar nicht gestoppt, aber gebremst.

Denn dass die innenstadtnahen Gebiete in Hamburg zur Ausbeutung durch Investoren und gierige Immobilienfirmen freigegeben sind, lässt sich ändern. Man könnte Zeichen setzen. Das Zeise-2-Gelände war vor der Aushändigung an den Werbemulti im städtischen Besitz. Die Politiker und Politikerinnen im Bezirk und in dieser Stadt hätten sich dafür einsetzen können, im Sinne der Menschen zu planen: Wohnungen für Alte, Wohnungen für junge Menschen mit wenig Geld, für Alle, die auf sozialen Wohnungsbau angewiesen sind.

Stattdessen haben sie den Investoren einen roten Teppich ausgelegt. Die Akteure in dieser üblen Komödie waren:

  • Ein SPD-Wohnungsbaupolitiker, der auf die Seite der Werbefirma wechselt … um sie zu beraten, wie man dem Bezirksamt am besten den Kopf verdreht, damit aus einem Wohnungsbauprojekt eine Gewerbe-Immobilie für den Spekulationsmarkt wird;
  • Eine willfährige SPD-Bezirksamtsleiterin, die hinter dem Rücken des Bezirksparlaments und während eines laufenden Bürgerentscheids eine Baugenehmigung erteilt;
  • Kreuzbrave PolitikerInnen von SPD-CDU-Grünen-FDP, die allem, was der Senat wünscht, letztlich zustimmen;
  • Und ein SPD-geführter Senat, der den Grundstücksverkauf an den Investor einfädelt und jeden Widerspruch plattwalzt. Die 75-prozentige Zustimmung der Menschen in Altona im Bürgerentscheid gegen Zeise-2 wurde schlicht ignoriert – die Senatskommission unter dem persönlichen Vorsitz von Bürgermeister Olaf Scholz gab dem Projekt seinen letzten Segen.

Wir von Pro Wohnen Ottensen haben den Gerichtsprozess um den mit einer widerrechtlichen Baugenehmigung gestarteten Bau von Zeise-2 leider verloren – aber wir haben auch viel gewonnen. In Altona hat der Protest Wirkung gezeigt. Bei aktuellen Projekten hier in der Nähe – bei der Bebauung des Spritzenplatzes und bei der Bebauung der Ecke Barnerstraße/Bahrenfelder Straße gegenüber der Fabrik – sind Politik und Investoren vorsichtiger geworden. Sie machen jetzt mehr auf ‚Bürgerbeteiligung‘. Eine Wende ist dies noch lange nicht. Denn die beteiligten Bürgerinitiativen haben den Eindruck, dass ihnen mit Pseudobeteiligung nur der Wind aus den Segeln genommen werden soll. Aber immerhin, man beginnt zu reden.

In der Spätphase unseres Konflikts um Zeise-2 – als wir den Gerichtsprozess verloren, aber immer noch einen Haufen Schulden hatten – wollten die Investoren uns den Protest abkaufen. Sie hätten sämtliche Prozesskosten übernommen, wenn wir unsere Öffentlichkeitsarbeit für die Vergangenheit und alle Zukunft eingestellt hätten. Wir haben abgelehnt und es vorgezogen, unsere Schulden konventionell zu begleichen. Was uns mit der großartigen Unterstützung der Menschen in diesem Stadtteil auch gelungen ist. Eines zeigt diese Episode: Investoren, die unsere Stadt zu ihrem privaten Nutzen vergolden wollen, mögen es nicht, wenn man ihre Machenschaften ans Licht bringt. Das sollte uns Hoffnung machen. Je mehr Menschen protestieren und die herrschenden Verhältnisse nicht als „gottgegeben“ hinnehmen – „marktgegeben“ wäre der zeitgemäße Begriff –, desto schwerer wird es den Spekulanten gemacht, ihre Projekte durchzumauscheln.

Vieles was wir als Bürgerinitiative vorausgesagt haben, hat sich leider bewahrheitet. Die Aufwertung des Zeise-2-Geländes hat die Spekulation im Stadtteil angeheizt. Bei Neuvermietungen werden inzwischen Wohnungsmieten von bis zu 17 Euro kalt verlangt. Gewerbemieter werden verdrängt. Der alteingesessene Laden „Schauen und Kaufen“ sollte ab Juni eine Miete in Höhe von 11.000 Euro zahlen, das Doppelte der bisherigen Miete. Der Besitzer wird seinen Laden nun schließen. Dies ist nur eines von mehreren Beispielen für die ‚marktkonforme‘ Umgestaltung dieses und anderer Stadtteile.

Aber wir lassen uns nicht beirren. Der Kampf um das Recht auf unsere Stadt ist kein Kurzfilm, sondern ein politischer Film mit Überlänge und Fortsetzungen. Auf Niederlagen folgen kleine Erfolge, auf kleine Erfolge gründet unsere Hoffnung, dass sich die Verhältnisse ändern können. „Immobilien sind in Beton gegossene Machtverhältnisse“, hat jemand gesagt. Setzen wir auf die Macht der Vielen, die gemeinschaftlich dafür kämpfen, dass nicht länger Betonköpfe mit ihrem verengten Blick auf Geld und Macht bestimmen, sondern dass die Solidarische Stadt zum Leitbild der Hamburger Stadtentwicklung wird. Auf geht’s!

Zeise und die Macht der Vielen
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