Zwei Jahre dauerte der Streit um die Errichtung einer Hamburger Zentrale des WPP-Konzerns in Ottensen auf dem ehemaligen Zeise-Parkplatz im Herzen des Stadtteils. 29.000 Menschen unterstützten im Bürgerentscheid vom September 2015 den Protest gegen die Ansiedlung und forderten stattdessen, den ursprünglich von den Bezirkspolitikern versprochenen Wohnungsbau umzusetzen. Die Bürgerinitiative „Pro Wohnen Ottensen“ reichte Klage gegen die nach ihrer Überzeugung rechtswidrige Baugenehmigung vom Juli 2015 ein. Vergeblich. Mit Unterstützung der Bezirkspolitik und des Scholz-Senats wurde den Investoren der Procom/Quantum alle Wünsche zur schnellen Umsetzung des Projekts gegen jeden Widerstand der Bürger in Ottensen und Altona erfüllt. Seit April 2017 zieht der ungewollte Nachbar mit seinen Tochterfirmen nach und nach ein.
Hinter den Investoren von Procom/Quantum, die das Bürogebäude errichteten – und inzwischen schon mit sattem Gewinn an den Versicherungskonzern Axa weiterverkauft haben –, steht der WPP-Konzern als eigentlicher Initiator dieser Ansiedlung. Sein Plan war es, Hamburger Tochterfirmen in einem Neubau zusammenzuziehen, dafür bekam er Angebote für 15 mögliche Standorte. Die Wahl fiel auf das Filetgrundstück an der Friedensallee. Zur Absicherung des 70-Millionen-Investments hatte die WPP sich für 15 Jahre als Mieter festgelegt.
Der Protest gegen die Ansiedlung richtete sich im Frühjahr 2014 zunächst gegen die Mauscheleien beim 180-Grad-Schwenk der Projektentwickler und der Bezirkspolitik weg vom – dringend benötigten – (sozialen) Wohnungsbau, hin zum – lukrativeren – Bürobau. Aber auch die Ansiedlung eines Großkonzerns in dem von kleinen Geschäften und Handwerksbetrieben geprägten Stadtteil rief heftigen Widerspruch hervor. Wenn der WPP-Konzern nun einzieht, dürfte das Interesse steigen an der Frage: Wer ist dieser Nachbar?
Im Folgenden liefern wir ein Porträt des Konzerns, der für die nächsten 15 Jahre die Deutschland-Geschäfte aus seiner Zentrale in der Ottenser Friedensallee steuern will.
Kurzprofil WPP
WPP wurde 1971 unter dem Namen Wire and Plastic Products plc als Hersteller von Einkaufskörben für Supermärkte gegründet. 1985 übernahm der frühere Manager der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, Martin Sorrell, die Firma. Bei Saatchi & Saatchi hatte er sich mit der Kampagne ‚Labour isn’t working‘, die zum Wahlerfolg Margarete Thatchers beitrug, einen Namen gemacht. Durch Zukäufe und feindliche Übernahmen von Firmen, zum Teil wesentlich größere als die WPP selbst, entwickelte Sorrell den einstigen Drahtkorbhersteller zur größten Werbeholding der Welt. (1) Zur Charakterisierung des WPP-Chefs schrieb das Manager Magazin 2015: „Martin Sorrell (70) wird von vielen seiner Konkurrenten gehasst, weil sie unter seinem nicht zu brechenden Expansionsdrang leiden. Er gilt als maßloser Eroberer, der sich ständig neue Firmen einverleibt. Eines seiner Opfer bezeichnete ihn einmal voller Verachtung als ‚ekelhaften Zwerg‘. Der Mann war gezwungen, an Sorrell zu verkaufen.“ (2)
150 Firmen gehören heute zur WPP-Holding: Werbeagenturen, PR-Firmen und Marktforschungs-Unternehmen. 2015 beschäftigten sie an 3.000 Standorten in 112 Ländern insgesamt 170.000 Mitarbeiter und erwirtschafteten einen Umsatz von 16,6 Milliarden Euro. Hauptsitz der Firma ist London, steuerlich ist sie auf der britischen Kanalinsel Jersey angesiedelt.
Ein Drittel des Umsatzes entfällt auf das Geschäft mit klassischer und digitaler Werbung. Ein ebenso großer Anteil wird mit dem Media-Geschäft – der Platzierung von Werbung in den Medien und dem Handel mit solchen Werbeplätzen – erwirtschaftet. Dienstleistungen in der Markt- und Meinungsforschung machen ein Viertel des Konzernumsatzes aus. (3)
Die WPP kann als „Profitmaschine“ bezeichnet werden. Das Manager Magazin rechnete im Dezember 2015 vor, dass in den 30 Jahren WPP unter Martin Sorrell, unter Berücksichtigung der Dividenden und des Aktienwertes, eine Rendite von 22 Prozent pro Jahr erzielt wurde. (4)
Der in Deutschland erzielte Umsatz belief sich im Jahr 2015 auf 1,2 Milliarden Euro, erwirtschaftet von 7.200 Mitarbeitern. In Hamburg sind 2017 insgesamt 29 WPP-Firmen vertreten. (5) Über Zahlen einzelner Firmen oder Niederlassungen darf sich in der WPP niemand äußern. Größte Hamburger Niederlassung ist die Werbeagentur Scholz & Friends, der Ankermieter in Zeise-2 mit rund 450 Mitarbeitern. Kantar Media, ein Dienstleister für Medienbeobachtung und -analyse, wird in die neuen Büros in Ottensen mit rund 120 Mitarbeitern einziehen. Außerdem angekündigt sind die Marktforscher von TNS-Infratest und die Mediaagenturen Mediacom und MEC. (6)