PR-Arbeit
Besonders schlechten Ruf verdankt die WPP der Arbeit ihrer Public-Relations-Spezialisten. „World Propaganda Power“ – so übersetzten das Firmenkürzel bereits 2001 australische Wissenschaftler in einem Artikel für das Magazin PR Watch. Ihr Thema war die von der global agierenden, für politische Auftraggeber tätigen WPP ausgehende Gefährdung demokratischer Gesellschaften durch Manipulation der öffentlichen Meinung. Das war vor 16 Jahren, seitdem ist der WPP-Konzern nach Umsatz und Beschäftigtenzahl noch einmal um das Dreifache gewachsen. (7)
Mit Hill+Knowlton und Burson-Marsteller gehören gleich zwei der am übelsten beleumundeten Branchenvertreter zum WPP-Netzwerk. Aber auch Scholz & Friends führt einen PR-Ableger, der durch Nähe zu einer neoliberalen Ideenschmiede und zu einer konservativen Partei aufällt.
– Hill+Knowlton
Die PR-Agentur Hill+Knowlton (H+K) kam 1987 unter das Dach der WPP-Gruppe. Ihr berüchtigtster Coup ist die ‚Brutkastenlüge‘, mit der die US-amerikanische Öffentlichkeit 1991 von der Notwendigkeit des ersten Irak-Krieges nach der Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen überzeugt wurde. Die Süddeutsche Zeitung schrieb darüber: „Die 15-jährige Hilfskrankenschwester Nayirah aus Kuwait wollte beobachtet haben, wie irakische Soldaten ihr Krankenhaus überfielen. ‚Sie nahmen die Babys aus den Brutkästen und legten sie zum Sterben auf den Boden‘, erzählte Nayirah unter Tränen. Die westliche Welt war schockiert. Die irakische Armee galt als brutal und barbarisch. Und Präsident George Bush senior ließ aufrüsten. Wenig später begann die Operation Desert Storm – und damit der erste Krieg der USA gegen den Irak. Nayirah war aber gar nicht Nayirah. In Wirklichkeit heißt sie Nijirah al-Sabah und ist die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA. PR-Profis von Hill+Knowlton hatten das Mädchen als angebliche Zeugin ausgewählt. Bezahlt von der Organisation ‚Citizens for a free Kuwait‘ hatte die Agentur eine großangelegte Kampagne für den Golfkrieg gefahren (…) Als die Lüge aufflog, war der Golfkrieg schon vorbei.“ (8) Es ist nicht bekannt, dass Hill+Knowlton für diese Lüge jemals Reue gezeigt oder sich entschuldigt hätte. ‚PR für Krieg‘ scheint für diese Firma ein normales Geschäft zu sein. (9)
Die Agentur ist spezialisiert auf Krisen-PR und Imagepflege. Zu den bekanntgewordenen Aufträgen gehören Mandate für das erzkonservative Königreich Saudi-Arabien, Gastgeber des Opec-Gipfels 2007, dem H+K für das Ausland ein freundliches Image präsentierten sollte, oder für den russischen Öl- und Gas-Monopolisten Gazprom, um dessen öffentliches Bild aufzupolieren.
Seit Langem arbeitet Hill+Knowlton mit dem Internationalen Olympischen Komitee zusammen. 1998/1999 half die Agentur, den Bestechungsskandal um die Winterspiele von Salt Lake City zu überstehen. Auch die Olympiabewerbung von Athen für die Sommerspiele 2004 hat die Firma erfolgreich gemanagt. Besonders raffiniert war die H+K-Beratung des IOC zu den Olympischen Spielen in Peking 2008. Neben dem IOC gehörten auch die chinesische Regierung und das Pekinger Organisationskomitee für Olympia zu den Klienten der Firma. Eine Interessenverquickung, die sich auszahlte: WPP vermeldete für 2008 ein Rekordergebnis, vor allem wegen des rasant gestiegenen Umsatzwachstums in China. (10)
– Burson-Marsteller
Die PR-Agentur Burson-Marsteller (B-M) wurde im Jahr 2000 von WPP übernommen. Die Liste berüchtigter Auftraggeber las sich schon damals wie eine Zusammenkunft im Gruselkabinett: Der chilenische Diktator Augusto Pinochet und die argentinische Militärjunta sowie die rumänische Regierung unter Nikolae Ceausescu nahmen in den 1970er-Jahren die Dienste von Burson-Marsteller in Anspruch. Krisen-PR leistete die Firma auch dem Chemiekonzern Dow Union Carbide nach dem verheerenden Unfall im indischen Bhopal 1984. Der Ölkonzern Exxon erhielt Unterstützung nach der Tankerkatastrophe in Alaska 1989, um sein Image wieder aufzupolieren. (11)
Eine lange Geschichte hat das Lobbying für die Atomindustrie. 1979 unterstützte B-M den AKW-Hersteller Babcock & Wilcox, nachdem deren Atomreaktor in Three Miles Island, sechs Jahre vor Tschernobyl, fast einen Super-GAU verursacht hätte. In der Schweiz wurde von 2006 bis 2012 das Büro der Nuklearforums, der AKW-Lobby des Landes, von Burson-Marsteller geführt. Als es nichts mehr zu lobbyieren gab, beendete das Nuklearforum das Mandat. Nun arbeitet die PR-Firma für das Büro für Erneuerbare Energien. Ein Experte der Schweizer Energiestiftung kommentierte: „Wenn die Argumentationslinie bei Burson-Marsteller von heute auf morgen gewechselt werden kann, war das Einstehen für die Atomenergie eine reine PR-Aktion. Wer zahlt, befiehlt“ – das sei die Maxime der PR-Agentur. (12) Nach dem Super-GAU in Fukushima im Mai 2011 gab die US-amerikanische Atomlobby PR-Agenturen den Auftrag, mit ihren Botschaften die sozialen Medien zu fluten. Burson-Marsteller verdiente sich damit 2012 einen PR-Preis für „überragende Leistungen im Reputationsmanagement“. (13)
Eine der Burson-Marsteller-Spezialitäten ist ‚Grassrooting‘, das künstliche Erzeugen von Bürgerprotest. Im Auftrag von Firmen organisiert sie besorgte oder betroffene BürgerInnen, die stellvertretend und mit höherer Glaubwürdigkeit für das angeschlagene Unternehmen öffentlich auftreten. (14) In den USA betreibt Burson-Marsteller unter dem Namen Direct Impact eine Firma, die auf Bestellung Bürgerinitiativen organisiert. Zu den bizarrsten Blüten der Grassrooting-Strategie gehören die ‚Mothers for Nuclear‘ – ‚Mütter für Atomenergie‘ – die 2011, kurz nach dem Fukushima-GAU, für das US-amerikanische Nuclear Energy Institute als Kronzeuginnen für die Ungefährlichkeit von Atomkraft auftraten. (15)
Auch aus jüngerer Zeit gibt es Beispiele dafür, dass Burson-Marsteller keine Schmerzgrenzen bei der Auswahl ihrer Kunden kennt: 2013 leistete man dem Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nasarbajew dabei Hilfe, in der Schweiz für das autokratisch regierte Land politische Unterstützung zu mobilisieren. (16) Nach dem Wahlsieg der Erdogan-Partei AKP im November 2015 gehörte das Büro des türkischen Ministerpräsidenten zu den Klienten. Sein Image sollte in westlichen Medien aufgebessert werden. Das Berliner Büro von Burson-Marsteller war in den Auftrag eingebunden. (17)
Nicht fehlen darf in der langen Aufzählung zweifelhafter Mandate die Arbeit von Burson-Marsteller für das Internationale Olympische Komitee. Bereits 1988 wurde es von B-M zu den Spielen in Südkorea beraten. 2015 war Krisenkommunikation gefragt: Nachdem eine ARD-Dokumentation Belege für ein staatliches Dopingsystem in Russland ans Licht gebracht hatte, wurde die PR-Agentur damit beauftragt, mit einer weltweiten Kampagne das drohende Olympia-Aus zu verhindern. (18)
– Scholz & Friends
Die PR-Aktivitäten der deutschen Agentur Scholz & Friends (S&F), die seit 2011 zur WPP gehört, nehmen sich im Vergleich zu den genannten Schwergewichten international agierender PR-Multis bescheidener aus. 1981 in Hamburg als Werbeagentur gegründet, nimmt Scholz & Friends aber seit Langem ebenfalls politische Mandate an. Haupsitze der Firma sind Berlin und Hamburg, außerdem ist sie an den Standorten Düsseldorf, Brüssel und Zürich sowie in acht weiteren mittel- und osteuropäischen Hauptstädten verteten.
Bekannt ist die tragende Rolle von Scholz & Friends für die 1999 gegründete Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), ein Projekt zur Öffentlichkeitsarbeit für den Arbeitgeberverband Gesamtmetall mit dem Auftrag, in der deutschen Bevölkerung die Bereitschaft für wirtschaftsliberale Reformen zu erhöhen und ein unternehmensfreundliches Klima zu erzeugen. Scholz & Friends entwickelte das Konzept der ‚Initiative‘ und gründete eigens eine Firma, die den Internet-Auftritt betreute. In der Spitze arbeiteten rund 40 Personen bei S&F für die Arbeitgeberlobby. Das Mandat endete 2009. (19) (Seit 2015 betreut erneut eine WPP-Firma, die PR-Agentur Blumberry, den INSM-Werbeetat. (20))
Der Stern veröffentlichte 2009 einen Artikel unter dem bezeichnenden Titel „Scholz & Friends & CDU“, in dem die vielfältigen Verbindungen der Agentur zur Partei der Konservativen aufgezeigt wurden. (21) Zwei Scholz & Friends-Mitgründer, Sebastian Turner und Thomas Heilmann, engagierten sich während und nach ihrer Agentur-Karriere politisch für die CDU. Turner, bis 2011 für die Agentur tätig und treibende Kraft hinter der ‚Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft‘, kandidierte 2012 (erfolglos) als parteiloser Kandidat für CDU, FDP und Freie Wähler für das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters. CDU-Mitglied Heilmann, bis 2010 für die Werbeagentur aktiv, war von 2012 bis 2016 Berliner Senator für Justiz und Verbraucherschutz. Der aktuelle Geschäftsführer des PR-Ablegers Scholz & Friends Agenda in Berlin, Klaus Dittko, arbeitete zu Beginn seiner Berufslaufbahn als Redenschreiber für Helmut Kohl. (22)
Auch in einer aktuell hoch umstrittenen politischen Debatte hat Scholz & Friends zahlungskräftige Auftraggeber: Im April 2016 berichtete das PR-Magazin über einen Auftrag der EU-Kommission an ein europäisches Agenturkonsortium zur Werbung für das Freihandelsabkommen TTIP. Der Auftrag, in Deutschland von Scholz & Friends ausgeführt, lautete: Beispiele aus der klein- und mittelständischen Wirtschaft zu liefern, um das „Storytelling über die Vorteile eines TTIP-Abkommens (zu) verbessern“. (23)
– Klimawandel-Leugnung
Nicht fehlen darf in einer Aufzählung der politischen Mandate von WPP-Agenturen die besondere Rolle in der Geschichte der Klimawandel-Leugnung. Der Ursprung liegt in den 1950er-Jahren, als der Chef von Hill+Knowlton der amerikanischen Tabakindustrie riet, wissenschaftliche Belege für das Krebsrisiko durch Rauchen mit eigenen Studien zu kontern: Wissenschaft mit Wissenschaft zu bekämpfen und den Amerikanern einzureden, dass die Frage in der Forschung keineswegs entschieden sei. Es wurden Organisationen gegründet und Wissenschaftler finanziert, die nach außen nichts mit der Industrie zu tun hatten und für die gewünschten Ergebnisse sorgten. Der Zweifel am wissenschaftlichen Konsens sollte von Leuten kommen, die unabhängig erschienen. (24)
Diese Strategie verfolgte über Jahrzehnte nicht nur die Tabakindustrie. Auch die Verhinderung von Maßnahmen gegen den Sauren Regen und gegen das Ozonloch gehören zur Liste dieser, von einem kleinen Zirkel unternehmensfreundlicher Wissenschaftler organisierten Kampagnen.
Folgenschwer war und ist diese PR-Strategie für den Kampf der Weltgemeinschaft gegen den Klimawandel. In den USA, dem größten Treibhausgas-Produzenten der Welt, haben es, trotz eines überwältigenden wissenschaftlichen Konsenses über die Notwendigkeit internationalen Klimaschutzes, die von PR-Firmen unterstützten Leugner des Klimawandels geschafft, Einfluss zu gewinnen – und aktuell sogar die Politik im Weißen Haus mitzubestimmen.
Burson-Marsteller spielte eine wichtige Rolle in der Genese der Klimawandel-Leugnung. Mitte der 1990er-Jahre schuf das PR-Unternehmen im Auftrag von US-Firmen der Öl- und Autoindustrie wie Exxon, Texaco, Chevron, Ford und General Motors die ‚Global Climate Coalition‘ (GCC) und steuerte deren Anti-Klimaschutz-Kampagne. Sie agierte als unabhängige Organisation und schaffte es, Umweltgesetze der Clinton-Regierung zu verhindern. Nachdem einige Firmen die Mitarbeit in der GCC nicht mehr opportun erschien, verschwand sie wieder aus der Öffentlichkeit. (25)
Burson-Marsteller verlegte sich in der Folgezeit darauf, PR für die Atomindustrie zu machen. Kern der Strategie war es, den angeblichen Beitrag von Atomkraftwerken zum Klimaschutz hervorzuheben und für eine ‚Renaissance der Atomenergie‘ zu werben. Argumente, mit denen auch in Deutschland die schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke begründete.
Wie doppelgesichtig das Imagespiel der WPP in solchen Fragen ist, zeigt eine Veröffentlichung des britischen Guardian aus dem Jahr 2014. Das Blatt hatte gemeinsam mit der US-Organisation ‚Climate Investigations Centre‘ (CIC) bei 25 weltweit agierenden PR-Firmen angefragt, ob sie für Leugner des menschengemachten Klimawandels oder gegen UN-Bemühungen zur CO2-Reduzierung arbeiten würden. Keiner der Konzerne bekannte sich zu solchen Aufträgen, die meisten antworteten ausweichend oder gar nicht. Die WPP-Holding in London – dort arbeiten gerade mal 25 Personen – antwortete, „taking on a client or campaign disputing climate change would violate company guidelines“ („der Auftrag eines Klienten oder einer Kampagne, die den Klimawandel bestreitet, würde Unternehmens-Richtlinien verletzten“). Diese Aussage war allerdings nichts wert, denn gleichzeitig äußerte eine Sprecherin der WPP über die 150 Firmen innerhalb des Netzwerks, „(they) made their own decisions on clients and would not rule out campaigns opposing regulations to cut greenhouse gas emissions“ („sie haben ihre eigenen Entscheidungen über Kunden getroffen und würden keine Kampagnen ausschließen, die gegen Regulierungen zur Senkung von Treibhausgasemissionen gerichtet sind“). Die WPP-Tochterfirma Oglivy Public Relations, so berichtete der Guardian, gab keine Auskunft über einschlägige Kunden. Hill+Knowlton beantwortete die Fragen des CIC überhaupt nicht. Mit anderen Worten: Während WPP sich gesellschaftliche Verantwortung auf die Fahne schreibt, können alle Firmen unter ihrem Dach diesen Anspruch missachten. (26)